Tag 3 – Grenzerfahrung(en)

29 07 2011

Beste Grueße aus Herleshausen sendet euch der Mutton-Mann. Zwar geschieht dies nicht von der Weide (die hatten wir heute des Oefteren), jedoch aus einem alten Fachwerkhausdoppelbettzimmer, das sich wohl im umfuktionierten, ehemaligen Stallgebaeude eines Hofes befindet. So bleibe ich wenigstens ansatzweise stilecht, wenn ihr versteht, was ich meine 🙂

Den Titel verdankt der heutige Eintrag mindestens drei Dingen. Zum einen mussten meine Muttonkeulen heute das erste Mal mit dem leichtesten Gang des Bergfahrrades die Rampen der hessischen Gebirgslandschaft erstrampeln, und das gleich zweimal. Das Limit in Sachen leichter Uebersetzungen war somit erreicht. Zweitens haben wir uns heute direkt entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze fortbewegt. Wo genau, bleibt geheim 😎
Im Ernst, es war schon irgendwie ein eigenartiges Gefuehl, sich auf einem Terrain zu bewegen, was vor nicht allzu langer Zeit als die bestbewachteste Grenze in Europa galt. Der Eiserne Vorhang hautnah. Komplettiert wurde dieses Grenzarrangement durch verschlungene Pfade, Menschenleere und wie aus dem Nichts auftauchend ein ehemaliges Postenhaeusschen, versteckt zwischen Baeumen am Wegesrand. Skurril und eindruecklich, eine durchaus bemerkenswerte Erfahrung. Allerdings fuhren wir entweder direkt zwischen den Grenzsteinen oder blieben (vorerst noch) im ehemals nichtsozialistischen Ausland 🙂 Morgen „machen“ wir dann endgueltig rueber. Der Rennsteig wartet in voller Pracht und Laenge auf den Mutton-Express.
Drittens kann man von Grenzerfahrungen sprechen, weil meine Geldreserven seit heute quasi nicht mehr existent sind. Der Grund: ausgerechnet im kapitalistischen Westgebiet gibt es weit und breit keine COMMERZ- oder sonstige deutsche Großbank , zumindest nicht auf unserer Strecke. Ironie bei allem: unsere heutige Herbergsmutter meinte auf die Frage hin, ob es in Herleshausen eine Commerzbank gebe: „Nee, die naechste ist in Eisenach.“ 😉
Aber keine Sorge, Axel springt da gerne ein. Mal sehen, wie lange der Mutton-Mann die Kuh noch melken kann. So, Schluss jetzt mit dem Palaver. Kommen wir zum „Sonstigen“ fuer heute.
Ich erwaehnte ja schon, dass wir auf verschlungenen Trails die ehemalige Grenze ein klein wenig in Augenschein genommen haben. Auch der Rest der heutigen Etappe war erfreulicherweise meistmenschenleer und unbefestigt, traillastig und abwechslungsreich, mit allem, was dazu gehoert. Wir konnten also unsere Fertigkeiten auf den Bergfahrraedern ausreichend trainieren, sowohl in Sachen Fahrtechnik als auch im Bereich der Kraftausdauer. Zudem haben wir heute ordentlich dem Rheuma vorbeugen koennen (fragt erst gar nicht, wie die Brennnesseln uns zugerichtet haben) und sahen uns genoetigt, unsere Raeder geradezu querfeldein durch die Wallachei mit Nesseln, Staemmen, Bremsen, Zecken und Muecken, gehuellt in eine schier endlos erscheinende, oberkoerperhohe Waldgraslandschaft zu manoevrieren, weil der anvisierte Trail zwar auf dem Garmin angezeigt wurde, sich aber faktisch fuer uns unauffindbar in die Natur integrierte. Dieses außerplanmaeßige Independentintermezzo war aber, zumindest was mich betrifft, nicht ohne jeglichen Spaßfaktor. 🙂
Das Wetter war heute durchgehen sehr radfreundlich. Stets trocken, aber auch immer mal bedeckt, sodass das Transpirieren nicht allzu sehr ausartete. Dennoch ist der Mutton-Mann auf der heutigen Etappe nicht nur finanziell illequide geworden, sondern auch bezueglich der Wassertanks. ( also quasi schon die vierte Grenzerfahrung heute. Na wenn das nichts ist…) Dem Zweiten im Bunde ging es nicht anders und so beschlossen wir, hundert zusaetzliche Hoehenmeter Steigung in Kauf zu nehmen und auf einem Umweg ein kleines Dorf anzusteuern, welches uns die ersehnte Erfrischung zur Verfuegung stellen sollte. Aber: Alles ausgestorben, Baeckerei verrammelt, in der Mitte ein Brunnen, auf dem ein fettes Schild prangerte: Kein Trinkwasser. Aber ohne Wasser kein Weiterkommen. Also solange gesucht, bis wir einen netten jungen Mann fanden, der uns statt des erbetenen frisch Gezapften aus der Wand gleich drei Flaschen bestes Mineralwasser verabreichte, verbunden mit einem netten Plausch.

Alles in allem absolvierten wir heute die mit 65,76 km wohl kuerzeste, aber mit den auf dieser Distanz mitunter muehsam gesammelten 1530 hm wohl auch eine der haertesten Etappen dieser Tour. Dies wird auch an der effektiven Fahrzeit von 5h:22min:03s und einer Maximalgeschwindigkeit von gerade mal 52,11 km/h 🙂 deutlich. Das abschließende Abendmahl in Form einer Pizza (schon wieder, aber immer wieder toll) und einem leckeren Malzbier war also mehr als verdient.
Auch werde ich heute aufgrund eines in Besitz genommenen Einzelzimmers wohl vorzueglich und ungestoert naechtigen, um morgen (mal wieder ausgeruht) den Rennsteig unter die Raeder nehmen zu koennen.
Probleme gab es heute nur an der linken Muttonkeule. Das Knie meinte, sich mittels eines
stechenden Schmerzes unbedingt mitteilen zu muessen. Ich hoffe, dass dies nicht zum ernsteren Problem wird. Denn eins steht fest, es wird nicht leichter aber mindestens genauso toll wie bisher.

In diesem Sinne wuensche ich eine gute Nacht und wuerde mich freuen, Sie auch morgen wieder hier begrueßen zu duerfen. 🙂 maeh.



Aktionen

Informationen

Schreib einen Kommentar

Du kannst diese Tags verwenden : <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>